Wenn Dr. Julia Hoffmann, Leiterin der Trendanalyse bei CandyJams von den rasanten Veränderungen im deutschen Süßwarenmarkt spricht, hört man sofort das Wort TikTok – und das aus gutem Grund. Laut einer Analyse des Großhändlers verzehrt ein Deutscher im Schnitt 30 kg Zuckerware pro Jahr, wobei Klassiker wie Haribo Goldbären, Milka Alpenmilch und Kinder Bueno nach wie vor die Regale füllen. Doch seit Anfang 2023 bestimmen virale TikTok‑Videos das Kaufverhalten von 16‑ bis 34‑Jährigen und ziehen neue, oft exotische Snacks in den Mainstream.
Historischer Hintergrund und die Rolle von Deavita.com
Der Durchbruch begann im zweiten Quartal 2023, als das Video "Dubai Chocolate" innerhalb von Tagen mehrere Millionen Aufrufe sammelte. Deavita.com, eine Berliner Marketingagentur, dokumentierte in ihrer Trendanalyse vom 15. März 2025, dass seitdem nicht nur amerikanische, sondern vor allem japanische Süßigkeiten einen Boom erleben. Der "Frozen Everything"‑Trend Anfang 2024, bei dem herkömmliche Gummibärchen gefriergetrocknet wurden, ließ den Umsatz von Gummilicious.de im ersten Quartal um 47 % steigen. Das zeigt, wie schnell ein einzelnes TikTok‑Video die gesamte Lieferkette beeinflussen kann.
Die fünf viralen Candy‑Trends 2025
Am 22. März 2025 veröffentlichte Gummilicious.de eine Rangliste, die heute als Messlatte gilt:
- Dubai Chocolate: Rosenwasser‑aromatisierte Schokolade, Preis ca. 8,99 € pro 100 g.
- Freeze‑Dried Candy: Gefriergetrocknete Gummibärchen, Preis bis zu 150 % über dem Standard.
- Retro‑Süßigkeiten: Wiederauflage von Lakritzschnecken und Cola‑Flaschen aus den 80er‑Jahren, initiiert von der Hamburger Süßkram Classics GmbH.
- Swicy & Swalty: Kombination aus süß‑scharf und süß‑salzig, vor allem in den US‑Snacks "Spicy Takis" von Barcel USA.
- Aesthetic Presentation: Pastellfarbene, handgemalte Verpackungen im Hamptons‑Vibe, die besonders bei Instagram‑ und TikTok‑Nutzer*innen gut ankommen.
Thomas Meier, Geschäftsführer von CandyJams, betonte in einem Interview am 5. April 2025: "Der Standort ist entscheidend – an Schulen und Hochschulen verkaufen sich die viralen TikTok‑Trends bis zu 200 % besser als in anderen Lagen."
Marktreaktionen und Verbrauchermeinungen
Die Zahlen sprechen für sich: Dr. Markus Weber, Geschäftsführer der SweetTrends GmbH aus Frankfurt am Main, erklärte am 14. Februar 2025, dass TikTok das Kaufverhalten vor allem in schulnahen Automaten um 31 % verändert habe. Laut einer Standortanalyse vom 10. April 2025 machen virale TikTok‑Süßwaren in Berlin‑Neukölln und München‑Giesing bereits 37 % des Automatenumsatzes aus, während in industriellen Vierteln wie Duisburg‑Marxloh nur 8 % erreicht werden.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. warnte am 18. April 2025 vor einem zu hohen Zuckergehalt: Bei 11 von 15 getesteten viralen Produkten lag der tägliche Zuckerschluck bereits über dem empfohlenen Grenzwert. Trotzdem bleibt die Nachfrage stark – der Deutsche Automatenverband prognostiziert, dass der Anteil viraler TikTok‑Süßigkeiten im Automatenverkauf bis Dezember 2025 von 22 % auf 35 % steigen wird, was einem zusätzlichen Marktvolumen von rund 285 Millionen Euro entspricht.
Zukünftige Entwicklungen und Prognosen
Ein Blick nach vorn zeigt, dass die Hersteller bereits reagieren. Die Haribo‑Weltzentrale in Bonn hat Ende März eine neue Produktionslinie für Matcha‑Goldbären in Betrieb genommen, monatlich 120 Tonnen. Das spiegelt den Trend zu "grünen" Geschmacksprofilen wider, den Deavita.com am 1. April 2025 als "Food Mood" für den Sommer bezeichnete. Experten gehen davon aus, dass weitere Innovationen – etwa vegane Varianten oder Low‑Sugar‑Formeln – das Feld weiter aufmischen werden.
Selbst die klassischen Marken müssen ihr Image überdenken. Während Haribo, Milka und Kinder Bueno nach wie vor die größten Umsatzträger sind, laufen sie Gefahr, von den schnelllebigen TikTok‑Moves überholt zu werden, wenn sie nicht zeitnah auf die Wünsche der Generation‑Z reagieren.
Frequently Asked Questions
Wie stark beeinflusst TikTok das Kaufverhalten junger Verbraucher?
Laut der SweetTrends‑Studie von 2025 geben 63 % der 18‑ bis 24‑Jährigen an, dass sie ein Produkt aufgrund eines TikTok‑Videos gekauft haben. Der Effekt ist besonders stark bei Snacks, die in kurzen Clips visuell ansprechend präsentiert werden.
Welche der fünf Trends bringt das größte Umsatzpotenzial?
Der "Freeze‑Dried Candy"‑Trend führt zu Preisaufschlägen von bis zu 150 % und macht damit den höchsten durchschnittlichen Umsatz pro Einheit aus, gefolgt von der ästhetischen Premium‑Verpackung, die besonders im Online‑Handel stark nachgefragt wird.
Was sagt die Verbraucherzentrale zu den gesundheitlichen Risiken?
Die Verbraucherzentrale warnt, dass 11 von 15 getesteten viralen Snacks bereits den empfohlenen Tageszuckergehalt pro Portion überschreiten. Sie empfiehlt, Etiketten genauer zu prüfen und auf zuckerarme Alternativen auszuweichen.
Wie reagieren die großen Hersteller auf den Trend?
Haribo hat im März eine Matcha‑Variante seiner Goldbären eingeführt, während Milka neue limited Editions mit "Food Mood"‑Geschmacksrichtungen produziert. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, das Interesse der TikTok‑Generation zu halten.
Was bedeutet das für den Automatenmarkt bis Ende 2025?
Der Deutsche Automatenverband prognostiziert einen Anstieg des Anteils viraler TikTok‑Süßigkeiten von 22 % auf 35 % bis Dezember 2025. Das entspricht einem zusätzlichen Umsatzvolumen von etwa 285 Millionen Euro und dürfte die Automatenstandort‑Strategie nachhaltig verändern.